O-Ton

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Aktuelle Aufführungen

Musik für Violine und Orgel

APRÈS UN RÊVE
(Diverse Komponisten)

Besuch am
24. Oktober 2022
(Einmalige Aufführung)

 

IDO-Festival in der Lambertus-Kirche, Düsseldorf

Es hat nichts mit einer Bildungslücke zu tun, falls Cécile Chimande, Fernand de La Tombelle und Ermend Bonnal nicht bekannt sein sollten. Vielleicht fallen die Namen in Fachseminaren an musikwissenschaftlichen Instituten oder in Kursen mit dem Schwerpunkt französische Musik der Spätromantik. Für neugierige Musikliebhaber wird aber auch ein Konzert mit dem Titel Après un rêve in der Kirche St. Lambertus im Rahmen des Internationalen Düsseldorfer Orgelfestivals angeboten, um Musik der drei Komponisten kennenzulernen. Nur gehen die Besucher genauso schlau wieder heraus wie sie hereingekommen sind. Denn abgesehen von den musikalischen Vorträgen gibt es keinerlei Informationen über die Personen und deren Werke.

Vom freundlichen Personal am Eingang wird einem lediglich das dicke Festivalheft in die Hand gedrückt. Darin sind jedoch nur die Programme der Veranstaltungen und im Anhang die Biografien der Künstler abgedruckt. An so gut wie bei fast allen anderen Veranstaltern üblichen Programmheften beziehungsweise -zetteln mit seriösen Hintergrundinformationen wird also ersatzlos gespart. Auch wird nicht darauf hingewiesen, dass sich in der Broschüre der Druckteufel in Form eines Zahldrehers eingeschlichen hat: Prélude du Déluge von Camille Saint-Saëns ist im Werkverzeichnis unter der Opuszahl 45 aufgelistet. Die hier abgedruckte Nummer 54 gehört zur Messe de Requiem. Ferner wird nicht erwähnt, ob es sich bei den vorgestellten Stücken um Originale oder um Bearbeitungen handelt. Etwa ist Gabriel Faurés Après un rêve im Urtext eindeutig eins von drei Liedern, die unter Opus 7 gefunden werden können. Geläufig sind Fassungen für Violoncello und Klavier beziehungsweise Harfe. Das Zitat dazu in der Festival-Info ist vermutlich einer Internetquelle entnommen. An diesem Abend ist die Nummer in einer Version für Orgel solo zu hören. Solche Nachlässigkeiten und Fehler können eigentlich nur als hochnotpeinlich bewertet werden.

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Das rund zwei Stunden dauernde, pausenlose Programm besteht mit neun Stücken überwiegend aus französischer Musik. Natürlich sind Tonschöpfungen berühmter Komponisten mit dabei. Neben dem Opus von Saint-Saëns und op. 7, Nummer 1 von Gabriel Fauré sind es Louis Viernes Fantasie Clair de lune sowie das in Töne gefasste jüdische Gebet Kaddisch aus der Feder von Maurice Ravel. Die Dame und die beiden Herren der Schöpfung, eingangs erwähnt, lebten in Frankreich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis in die fünfte Dekade des darauffolgenden Säkulums. Zu ihren Lebzeiten waren sie angesehene Pianisten, Organisten und Komponisten. Bei bedeutenden Musikern gingen sie in die Lehre oder arbeiteten mit ihnen zusammen: zum Beispiel Charles-Marie Widor Alexandre Guilmant, Vincent d‘Indy und Vierne je eins ihrer Werke – Chaminades op. 171 Nr.1, de La Tombelles Berceuse und Bonnals Légende pour violon et orgue – wird vorgestellt, die Beispiele für ihre ausgezeichneten Kompositionstechniken sind. Eingerahmt ist das französische Programm von zwei Klassikern: Josef – mit F geschrieben und nicht wie abgedruckt mit PH – Gabriel Rheinbergers erstes Stück aus Opus 150 und das allseits bekannte Violinkonzert in e-Moll von Felix Mendelssohn Bartholdy in einer Fassung für Orgel.

Das Programm präsentieren Geigerin Elsa Grether und Organist Christophe Guida, die tags zuvor aus Paris angereist sind. Als versierte Musiker stellen sie sich dem zahlreich erschienenen Publikum vor. Guida überzeugt als sensibler und mitatmender Begleiter, der dank unaufdringlicher Registrierungen den Geigenklang in den Vordergrund zu stellen versteht. Auch bei den Stücken für Orgel solo ist er spieltechnisch ein Routinier an den Manualen und dem Pedal. Doch können die Töne, die er den Pfeifen entlockt, gemäß der musikalischen Epoche klanglich abwechslungsreicher sein. Auch Grether stellt sich als eine erfahrene Instrumentalistin vor. Hochvirtuose Passagen meistert sie abgesehen von kleinen Unsauberkeiten etwa hinsichtlich Bogenführung und Lagenwechsel brillant. Spannend zieht sie musikalischen Bögen. Eine packende, sonore Tongebung gelingt ihr dann, wenn es um große Emotionalitäten geht.

Langanhaltend ist der Applaus, in dessen Verlauf sich etliche Zuhörer von den Kirchenbänken erheben. Dafür bedankt sich das Duo mit Jules Massenets berühmter Meditation aus seiner Oper Thaïs als Zugabe.

Hartmut Sassenhausen